Smart Meter im Gesetzesstrudel

  • Simon Schmitz
  • market, policy, smart meters

Optout - der Widerspruch

Es ist ein Paradebeispiel für die schnörkeligen und oftmals, naja, sagen wir "nicht ganz eindeutigen" Verhältnisse im Strudel der österreichischen Gesetzgebung: es gibt sowohl ein Recht für ALLE Stromkunden, einen Smart Meter (intelligenten Stromzähler) abzulehnen, als auch eine Verpflichtung für die Netzbetreiber, bei mindestens 95% aller Haushalte einen einzubauen.

Vielleicht gerade als Nicht-Jurist bemerkt man hier nach kurzem Nachdenken den Widerspruch. Was passiert, wenn mehr als 5% den "Optout" machen wollen? Mit diesem wurde bis vor Kurzem nach dem Motto “we will cross that bridge when we get there” umgegangen: vielleicht löst sich ja alles irgendwie in Wohlgefallen auf. Zumal in der Praxis, wo bereits flächendeckend Smart Meter installiert werden (z.B. in Oberösterreich) derzeit weit unter 5% der Betroffenen einen Smart Meter ablehnen.

Smart Meter Fuss?

Das Grundrecht auf Datenschutz

Wohlgefallen wollte sich aber nicht wirklich einstellen, und die öffentliche Diskussion gewann mit der Unterstützung derjenigen, denen Datenschutz besonders wichtig ist, immer mehr an Fahrt. Daher hat die Arbeiterkammer jetzt ein Gutachten erstellen lassen, und zwar mit dem folgenden Ergebnis:

"Das Gutachten von Prof. Daniel Ennöckl kommt zu dem Schluss, dass StromkundInnen nicht zum Einbau eines intelligenten Zählers gezwungen werden dürfen, der laufend den Stromverbrauch speichert und die Daten in kurzen Intervallen an den Netzbetreiber weitergibt."

Und:

"KonsumentInnen müssen die Möglichkeit haben, den Einsatz eines intelligenten Stromzählers im Haushalt abzulehnen. Der Einbau gegen ihren Willen stellt eine verfassungswidrige Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz dar."

Das Grundrecht auf Datenschutz in dieser Debatte hervorzuheben und damit den Datenschutz also auch über die Einbauverpflichtung für Smart Meter zu stellen, ist aus meiner Sicht ein absolut hilfreicher Beitrag.

Supermärkte sind noch smarter als Smart Meter

Datenschutz bei Smart Metern ist ja vom Prinzip her dasselbe wie bei Supermärkten, Drogerien und ähnlichen Einkaufsketten. Ein wichtiger Unterschied ist, dass man sich für eine Treuekarte, auf der genau gespeichert wird, was, wieviel und wann ich einkaufe, aktiv entscheiden muss, während man den Smart Meter von der EU aufgebrummt bekommt. Weil man sich für die Bonuskarten persönlich anmelden muss sind das aber ähnlich persönliche Daten wie beim Smart Meter. Allerdings kaufe ich mit Strom nur ein Produkt, so dass die Supermarktdaten oft sogar mehr persönlichen Informationsgehalt als viertelstündliche Stromverbräuche haben. Das beste Beispiel dafür war die schwangere Teenagerin in den USA, dessen Vater vom Supermarkt Walmart erfuhr, dass sie schwanger war (das ist aber auch schon wieder mehr als 4 Jahre her, wer weiß was jetzt noch alles möglich ist).

Einkaufen ohne die Treueangebote zu nutzen (also quasi ein "Optout" aus Datenschutzgründen) wäre wirklich teuer, da heutzutage fast alles mit Lockangeboten rabattiert ist (aber eben nur für “Clubmitglieder"). D.h. eine Ausübung des Rechtes auf Datenschutz hat auch seinen Preis. Das ist beim Smart Meter nicht unbedingt anders, weil ja durch die Übermittlung der Viertelstundendaten bestimmte Einsparungen erst möglich werden (s.u.). Aber bevor wir allzusehr in eine philosophische Diskussion abdriften: wie lässt sich nun der “Strudel” der widersprüchlichen Gesetze auflösen?

Dem Strudel entkommen

Die neueste Idee, die sowohl vom obigen Gutachten (und damit der Arbeiterkammer) vorgeschlagen als auch vom Branchen-Verband Österreich’s Energie vertreten wird, ist folgende:

  1. Dem Grundrecht auf Datenschutz kann nachgekommen werden, indem die Funktionen des Smart Meters, die für die Aufzeichnung und Übertragung von Tageswerten oder Viertelstundenwerten für den Stromverbrauch verantwortlich sind, deaktiviert werden (noch offen ist, ob die Übertragung von Monatswerten dafür auch deaktiviert werden müsste)
  2. Der Einbauverpflichtung kann nachgekommen werden, indem auch neue Zähler, bei denen die Deaktivierung von Anfang an erfolgt, auf die Einbauquote angerechnet werden (hierbei ist ausschlaggebend, dass die Auslesung und Übertragung von Viertelstundenwerten “möglich" ist).

Diese Lösung wäre in zweierlei Hinsicht positiv.

Erstens würden die (relativ wenigen) “Optoutler” das starke und durchaus berechtigte Gefühl, durch die Gesetzeslage in einem Grundrecht verletzt zu werden, loswerden. Und damit wäre für sie ein Grund weniger vorhanden, die Smart Meter für alle anderen öffentlichkeitswirksam schlecht zu reden. Dadurch würde endlich mehr Platz geschaffen für eine Diskussion der Vorteile von Smart Metern. Um nur einige zu nennen:

  • Keine lästige Ablesung des Stromverbrauchs mehr
  • Genaue monatliche Abrechnung, keine Ungewissheit mehr über Nachzahlungen oder Gutschriften am Jahresende
  • Viel mehr Bewusstsein über den Verbrauch (da zeitnah präsent und im Internet visualisiert), dadurch Identifizierung von Stromfressern und Anschaffung von immer effizienteren Geräten
  • Nutzung von dynamischen Stromtarifen wie unserem HOURLY und entsprechenden Services: der Smart Meter ermöglicht die Vermarktung von dezentraler Flexibilität und die damit verbundenen a) Verdienste/Einsparungen für flexible Geräte und b) zusätzlichen Speicherkapazitäten für Wind- und Solarenergie.

Und zweitens bräuchten die Netzbetreiber keine Angst mehr vor dem Szenario zu haben, in dem doch mehr als 5% der Kunden den Smart Meter ablehnen. Sie hätten damit eine Ausrede weniger, den Rollout noch weiter hinauszuzögern worauf ich in einem späteren Artikel noch eingehen werde!).

Wir dürfen also gespannt darauf sein, ob der Gesetzgeber und die E-Control diesen Vorschlag ebenfalls als Befreiungsschlag werten, oder ob wir uns weiter im “Strudel” der Widersprüchlichkeit bewegen müssen.

(Titelbild: patch.com)